Armand Zorn: Rising Star für Bundestag in Berlin

Dieser Artikel erschien am 07.10.2022 im Top Magazin Frankfurt und wurde verfasst von Thomas Zorn.

Politiker mit Charme und Charisma haben es in Deutschland normalerweise schwer. Besonders wenn sie am Anfang ihrer Karriere stehen. Das Establishment der Parteien mag unabhängige Charaktere nicht so gern. Doch die Bundestagswahl vor einem Jahr hat alles gehörig durcheinandergewirbelt. Sehr viele Abgeordnete im Reichstag sind plötzlich jung, bunt und ziemlich kess. Einer der interessantesten Köpfe unter den Newcomern ist Armand Zorn. Er gewann überraschend den Frankfurter Wahlkreis 182 (Innenstadt und Nordwesten) per Direktmandat für die SPD. Top Magazin sprach mit dem 34-Jährigen im Parteibüro an der Fischerfeldstraße. Inzwischen ist er von der Zeitschrift „Politik & Kommunikation“ zum „Rising Star 2022“ gekürt worden.

Wer Zorn heißt, trifft nur selten einen nicht verwandten Namensvetter – wie den Autor dieses Textes. Armand lächelt fröhlich und streckt zur Begrüßung – coronakonform – die Faust entgegen. Er ist in Kamerun geboren und sprach kein Wort Deutsch, als er hier im Alter von zwölf Jahren mit seiner Mutter ankam. Sie hatte ihren deutschen Partner geheiratet, der in Halle an der Saale lebte. „Er wurde mein Vater und ich habe seinen Nachnamen übernommen.“ Die Eltern hätten ihm viele Möglichkeiten eröffnet. „Das bringt Verantwortung mit sich.“

Armand Zorn: Kein Freund von Floskeln

An den Main wechselte Armand Zorn vor gut sieben Jahren „der Liebe wegen“. Die Beziehung zu seiner Freundin habe zwar nicht gehalten, „aber die Liebe zu Frankfurt“.

Der Bundestagsrookie spricht ungewöhnlich offen und verzichtet auf formelhafte Floskeln, hinter denen sich die Volksvertreter sonst so gern verbergen. „Ein Politiker sollte immer authentisch sein“, findet er. Vielleicht liegt Zorns Entspanntheit darin begründet, dass er sich in sehr unterschiedlichen Weltgegenden bewährt hat. Als SPD-Kandidat setzte er sich intern gegen zwei Mitbewerber durch. Schließlich holte er mit 29 Prozent unangefochten das Direktmandat, obwohl die Grünen bei den Zweitstimmen vor der SPD lagen. Auf der Landesliste war er aussichtslos weit hinten platziert.

„Ein Politiker sollte immer authentisch sein“ – Armand Zorn MdB

Potenziale ausschöpfen

„Ich glaube an das sozialdemokratische Aufstiegsversprechen, das wir erneuern müssen“, setzt er zu einem kleinen Vortrag an. Seine Partei habe immer für Fortschritt und Modernisierung gestanden, die ein starker Sozialstaat absichern müsse. „Wir sollten die Potenziale unserer Gesellschaft besser ausschöpfen“, mahnt er. Gerade finde ein rascher Wandel statt mit Jobs, die verschwänden, und Jobs, die entstünden. „Weiterbildung ist ganz wichtig.“ Die Schere zwischen arm und reich dürfe sich nicht noch weiter öffnen, lautet sein Fazit. „Wir wollen niemanden zurücklassen.“

Ein Plädoyer, das an der Einlösung gemessen wird. Als Abgeordneter sieht sich Armand Zorn als Ansprechpartner aller Frankfurter. Zu seinem Wahlkreis gehören so unterschiedliche Gebiete wie das Bahnhofsviertel, das Westend, die Altstadt, Eschersheim oder Sindlingen. Der Sport- und Eintracht-Fan möchte Barrieren überwinden.

Niemanden ausgrenzen

Niemand solle von vornherein ausgegrenzt werden, lautet sein Credo. Während der Kampagne für den Bundestag postierte sich Armand Zorn an Trinkhallen und versuchte, mit seinen Botschaften zu überzeugen. Er diskutierte auch mit Sympathisanten der AfD in ihren Hochburgen am westlichen Stadtrand Frankfurts. „Viele waren überrascht, dass sich überhaupt ein Politiker blicken ließ,“ berichtet der Unerschrockene. Man müsse etwas für benachteiligte Bevölkerungsschichten tun, dann würden manche ihre Ressentiments und Vorurteile überdenken, zeigt er sich überzeugt. Etliche seien früher SPD-Stammwähler gewesen.

„Ich kenne Rassismus“, stellt das im Osten Deutschlands aufgewachsene politische Talent fest. Den hat er schon als Jugendlicher erfahren, als er mit seiner Fußballmannschaft über die Dörfer von Sachsen-Anhalt zog. Rassismus dürfe aber nicht zum Schlagwort für alles verkommen. „Ich möchte auch nicht darauf reduziert werden, schwarz zu sein.“ Jeder Mensch sei anders. Im Wahlkampf war seine Unvoreingenommenheit ein großer Vorteil. Selbst dort, wo die AfD schon mal fast 20 Prozent erzielte, hörte man ihm zu. Das zahlte sich aus.

Nun möchte er in Berlin mit Sacharbeit überzeugen. Es fängt gut an. Er ist bereits zum stellvertretenden finanzpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion gewählt worden. Zu den anstehenden Aufgaben zählt die Banken- und Finanzmarktregulierung. Zorn freut sich, dass er den Finanzplatz Frankfurt weiter voranbringen kann. „Das hat eine regionale, eine nationale und eine internationale Dimension“, bemerkt er. Neben dem Finanzausschuss sitzt er noch im Ausschuss für Digitalisierung. „Auch die dort behandelten Themen sind spannend.“

Armand Zorn: Anerkennung als Finanzfachmann

Der Finanzexperte glaubt an die Ampelkoalition trotz diverser Abstimmungsschwierigkeiten. Er spricht von einer „Aufbruchsstimmung“ unter den jungen Abgeordneten der drei tragenden Parteien. „Die sind selbstbewusst und nicken nicht alles ab, was von der Regierung kommt.“

Die jungen Bundestagsabgeordneten sind selbst­bewusst und nicken nicht alles ab, was von der Regierung kommt. – Armand Zorn MDB

Seine Haltung zu den Liberalen war von vornherein vorurteilsfrei. Schon vor rund zehn Jahren hat er ein Bundestags­praktikum beim damaligen FDP-Gesundheitsminister Daniel Bahr absolviert, den er schätzen gelernt hat. Auch bei der CDU-Familienministerin Kristina Schröder heuerte er für ein paar Monate an. „Einige in meiner Partei haben das nicht verstanden. Mir hat es eine Menge gebracht, weil ich wissen wollte, wie unsere Gesellschaft mit dem demografischen Wandel umgeht.“

Grundsätzlich scheint Armand Zorn kein großes Bedürfnis zu besitzen, sich in einem engen Kästchendenken bequem einzurichten. Gleichwohl begreift er sich als Teamplayer. Seine herzliche Art kommt ihm zugute, wenn er sich außerhalb der Sitzungswochen in seinem Wahlkreis tummelt und Frankfurter Entscheidern begegnet wie dem IHK-Präsidenten Ulrich Caspar oder dem DGB-Chef Philipp Jacks. „So erhält man einen aggregierten Blick auf die Dinge“, formuliert er ausnahmsweise mal etwas technokratisch.

Unter Volllast

Im Augenblick steht der Frankfurter Politiker „von früh morgens bis spät abends voll unter Strom“. Das dürfe auf keinen Fall dazu führen, dass er nicht mehr mitbekomme, „was vor Ort passiert“, warnt er sich selbst und verlangt von sich Disziplin und innere Organisation. Um seine Wahlheimat noch besser kennenzulernen, verrichtet er Tagespraktika in Frankfurter Einrichtungen und Unternehmen. Zum Beispiel in der Ada-Kantine für Obdachlose. Dort hat er gekocht und serviert. „Da wird noch mehr kommen“, kündigt er an.

„Ich interessiere mich für alles Mögliche“, erzählt er, ohne dass es angeberisch klingen würde. Nach dem Abitur ging er zunächst an die heimische Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Das Studium der Politik und Geschichtswissenschaft schloss er 2012 mit dem Bachelor und einer vergleichenden Analyse der regionalen wirtschaftlichen Integration in Europa und Afrika ab. Zwischendurch hatte er in Paris ein Diplom an der berühmten Sciences Po erworben.

Armand Zorn: Weltgewandt und gebildet

Es folgten Aufenthalte in Konstanz, Bologna, wieder Paris und Halle, Hongkong, Macao und Chonqing. Er sammelte akademische Abschlüsse und Zertifikate wie andere Leute Briefmarken, darunter auch einen Master of Laws. Die Themen seiner wissenschaftlichen Arbeiten kreisten um Politik, Recht und Finanzen. In der 32-Millionen-Einwohner-Metropole Chongqing am Jangtse im Südwesten Chinas lernte er Mandarin, „was ich leider wieder weitgehend vergessen habe“.

In Frankfurt stieg er dann 2015 als Unternehmensberater bei PricewaterhouseCoopers ein und begann sich schwerpunktmäßig mit digitaler Transformation zu beschäftigen. „Trotzdem bin ich ein überzeugter Sozialdemokrat und seit mehr als zehn Jahren Parteimitglied“, hebt er hervor. „Das ist kein Gegensatz zu Managementtätigkeiten in der freien Wirtschaft.“

Kommunikationstalent Armand Zorn

2021 fing der im Ostend wohnende Durchstarter als Berater und Projektleiter bei der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) an. Bis zu seinem fulminanten Bundestagswahlsieg.

Die Gefahr, dass er irgendwann abhebt, ist vielleicht weniger groß als bei manch anderem Politiker. „Ich suche das Gespräch nicht nur in Wahlkampfzeiten“, beteuert der noch frische Bundestagsabgeordnete. Er mag Menschen, lacht gern, hat viele Freunde und kocht und backt mit Passion. „Da bin ich von der französischen Kultur geprägt“, verrät er. „Für mich ist ein Essen mehr als eine Mahlzeit, um satt zu werden.“

Armand Zorn ist entschlossen, die neuen politischen Herausforderungen zu meistern. Dass er aber in zwanzig oder dreißig Jahren noch im Bundestag sitzen wird, kann er sich im Augenblick nur schwer vorstellen. „Mal sehen, wohin mich mein Leben noch führen wird.“

Viele prophezeien ihm eine große Zukunft. Das Wirtschaftsmagazin „Capital“ zählt ihn zu den „Top 40 unter 40“. Und für die Zeitschrift „Politik & Kommunikation“ ist er einer von 30 Hoffnungsträgern des Jahres 2022 in der deutschen Politik. „Er bereichert mit seinen vielfältigen Erfahrungen die Debatten“, lobt Wolfgang Schmidt, Chef des Bundeskanzleramtes und Minister für besondere Aufgaben. Der einflussreiche Sozialdemokrat wählte Zorn wegen dessen wirtschaftlichen und finanzpolitischen Sachverstands und des Engagements für Chancengleichheit zu seinem persönlichen „Rising Star“. Der engste Vertraute von Olaf Scholz setzt auf den Abgeordneten aus Frankfurt: „Von ihm ist viel zu erwarten.“